2016-03-05

Die Jasperallee - so sollte es überall sein (Mit Update)



Das ist die Jasperallee. Eine sehr schöne Straße mit Bäumen und einem Gehweg zwischen den beiden Fahrtrichtungen. Links und rechts außen angrenzend findet man jeweils einen Parkstreifen und dahinter einen Gehweg vor. Keiner der drei Gehwege ist für den Radverkehr frei gegeben; mit dem Rad ist man hier demnach auf der Fahrbahn unterwegs. Auch wenn zu den parkenden Autos - so, wie immer - mehr als ein Meter Abstand eingehalten werden muss, hält man keine KFZ auf, da die Fahrstreifen auch dann genug Platz zum Überholen mit seitlichem Sicherheitsabstand bieten. Alles in Allem eine angenehm zu befahrende Straße. Ja, ganz richtig: Ein Positivbeispiel für Fahrradinfrastruktur in Braunschweig.






Und es wird sogar noch besser! In den obigen Bildern ist die Kreuzung mit dem Ring von Osten her zu sehen. Es gibt eine Aufstellfläche für Radfahrer direkt vor der Ampel und einen Schutzstreifen, mittels dessen Radfahrer zur Aufstellfläche gelangen können. Hervorragend!

Zwei Negativpunkte darf ich allerdings nicht unerwähnt lassen. Der erste lässt sich auf dem ersten der zwei Bilder von der Kreuzung erahnen: Autofahrer so: "Welche Fahrrad-Aufstellfläche?" In dem Bild oben kann man noch damit zufrieden sein, dass der größte Teil der Fläche vom Autofahrer frei gelassen wurde, aber ich habe schon einige Male eine komplett "besetzte" Aufstellfläche gesehen.

Der zweite Negativpunkt betrifft die Tatsache, dass Fahrradfahrer hier gut vorausplanen müssen, wenn sie zu dieser Kreuzung gelangen und entweder geradeaus fahren oder links abbiegen wollen. Der rechte Fahrstreifen mit dem Schutzstreifen darauf ist nämlich nur für Rechtsabbieger bestimmt, der linke für die anderen beiden Richtungen. Will ich als Radfahrer links abbiegen und nehme den angebotenen Schutzstreifen, kann es sein, dass die Ampel grün wird, wenn ich noch nicht bei der Aufstellfläche angekommen bin. Als Folge davon befinde ich mich dann rechts neben vielen rechts abbiegenden Autos, obwohl ich nach links abbiegen möchte - eine prekäre Situation. Wenn ich es schaffe, den Rechtsabbiegern auszuweichen, habe ich als nächstes ein Problem mit den Geradeausfahrern auf dem linken Fahrstreifen. Beste Option ist es dann tatsächlich, auf dem Schutzstreifen stehen zu bleiben, bis die Autos vorbei gefahren sind oder die nächste Ampelphase abzuwarten, falls es zu viele sind. Traurig, aber so ist es leider.

Eine Alternative wäre es theoretisch, sich auf dem linken Fahrstreifen einzuordnen und dann zwischen den Fahrstreifen - und also auch zwischen den Autos - durchzufahren um zur Aufstellfläche zu gelangen. Auch hier kann man natürlich von "grün" überrascht werden, aber man hat dann zumindest nicht die Rechtsabbieger als Problem.

Weiterhin könnte man ganz links an den Autos vorbei, was aber bei einem plötzlichen "grün" der Ampel gefährlich werden könnte, da man sich z. B. links neben Linksabbiegern befinden könnte. Das Problem wäre noch gravierender, wenn man selbst beabsichtigt, geradeaus zu fahren.

Beide genannten Alternativen haben außerdem den Nachteil, dass evtl. nicht genug Platz zwischen den Autos bzw. zwischen dem linken Fahrbahnrand und den Autos ist. Und: Die erste Alternative ist klar illegal, die zweite ist es möglicherweise auch (bin nicht sicher). Denn: Während das Überholen von stehenden und langsam fahrenden Autos rechts am rechten Fahrbahnrand mit mäßiger Geschwindigkeit laut StVO (auch ohne vorhandenen Schutzstreifen) klar erlaubt ist, ist das "Filtering" zwischen Autos klar verboten. Ob das Vorbeifahren ganz links als gewöhnliches Überholen gilt, weiß ich nicht. Ich persönlich würde die Legalität jedenfalls als fragwürdig einstufen.

Eine letzte Alternative zur Benutzung des Schutzstreifens rechts existiert übrigens noch: Das gewöhnliche Einordnen und Warten hinter Autos ohne zur Aufstellfläche zu gelangen zu versuchen. Diese Alternative ist immer legal, wenn man links abbiegen möchte (Stichwort "direktes Linksabbiegen") und ist für geradeaus Fahrende und rechts Abbiegende legal, wenn kein benutzungspflichtiger Radweg oder Radfahrstreifen vorhanden ist - und dies ist in der Jasperallee der Fall. Aber wer will schon warten, wenn er es nicht möchte?!

Meine Empfehlung hier also: Möchte man rechts abbiegen: Schutzstreifen nutzen um zur Aufstellfläche zu gelangen. Wird die Ampel zu früh grün: Aufpassen! Per linkes Handzeichen zwischen zwei Autos einordnen und dann rechts abbiegen. Fährt man die Kreuzung an und möchte stattdessen geradeaus fahren oder links abbiegen: Versuchen, vorauszusehen, ob man genug Zeit hat, um über den Schutzstreifen zur Aufstelllfläche zu gelangen. Falls nein: Auf dem linken Fahrstreifen mittig einordnen und hinter den Autos warten. Falls ja: Schutzstreifen nutzen um zur Aufstellfläche zu gelangen. Hat man sich bzgl. der verbleibenden Zeit bis "grün" geirrt: Auf dem Schutzstreifen stehen bleiben und die Autos vorbei lassen. Ist die Ampel danach wieder rot: Auf zur Aufstellfläche. Ist sie noch grün: Geradeaus fahren bzw. links abbiegen.




Auf der anderen Seite der Kreuzung (aus Westen kommend) bietet sich ein anderes Bild: Während es auch hier den Schutzstreifen ganz rechts gibt, existiert ein weiterer auf dem linken Fahrstreifen. Das löst natürlich die oben geschilderten Probleme! Einfach auf der korrekten Fahrspur einordnen und den jeweiligen Schutzstreifen nutzen, um zur Aufstellfläche zu gelangen. Wird es zu früh grün: Per Handzeichen wieder einordnen und weiter fahren. Kommt man mit den Autos dann nicht rechtzeitig über die grüne Ampel, kann man erneut den Schutzstreifen nutzen. Sehr schön!

Aber ist das legal? Ich schrieb weiter oben ja, dass das sogenannte Filtering illegal ist. Ist es hier legal, weil es per Schutzstreifen angeboten wird? Ich habe keine Ahnung, hoffe aber, dass die Planer sich hierüber Gedanken gemacht haben.

Alles in Allem sind die Jasperallee und die dazu gehörende Ring-Kreuzung sehr gute Beispiele für moderne Fahrradinfrastruktur. Leider sieht man diese Positivbeispiele nur an sehr wenigen Orten in Braunschweig. Und das, obwohl z. B. Schutzstreifen und Aufstellflächen nur ein wenig Farbe auf dem Teer brauchen. Allerdings: Bei Neubauten und Umgestaltungen von Straßen wird tatsächlich neuerdings oft moderne Infrastruktur für Fahrradfahrer integriert. Ein sehr schöner Trend.


Update: Ich bin mir meiner Sache nicht mehr sicher: Wären separierte, geschützte Radwege der bessere Weg? Falls ja, wie kann man solche durchsetzen, wenn die Gesetzes- und Empfehlungslage in Deutschland deren Bau entgegen steht? Muss man dann jede Kreuzung, jede Garageneinfahrt umdesignen, um Radwege wirklich sicher befahrbar zu machen? Und wie soll man solche extremen Umbaumaßnahmen in Innenstädten gegen Politik, Experten und wenig Geld in der Kasse durchsetzen? Wären Radfahrstreifen, Schutzstreifen, allgemeiner Mischverkehr etc. ein nötiger Zwischenschritt auf dem Weg zu "richtiger" Infrastruktur? Wo sollen Kinder ab zehn Jahren bis dahin fahren? Wirklich mit Autos und LKWs zusammen bzw. neben ihnen?


Posted via Blogaway

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